Über das Läuten

Seit 2006 läuten die Kirchenglocken der Glasower Kirche zu festen Zeiten. Manchmal jedoch auch dazwischen. Im letzten Jahr wurde ich deshalb mehrfach angesprochen. Ich werde etwas weiter ausholen, um die Zusammenhänge zu erklären.

Glocken sind als Musikinstrumente die verbreitetsten und größten Freiluftinstrumente. Sie zählen zu den frühesten Erfindungen der Menschheit. Von Anfang an hatten sie religiöse Bedeutung. Sie sollten böse Geister verjagen und gute anlocken, wodurch sie im religiösen Ritus den heiligen Ort schützen konnten. Die Glocken wurden aber auch profan, als Signalgeber benutzt, weil ihr Ton über weite Entfernungen zu hören ist. Die frühe Christenheit hat die Glocken wie überhaupt alle Musikinstrumente wegen ihrer heidnisch-magischen Bedeutung zunächst abgelehnt; Paulus vergleicht den Menschen ohne Liebe mit tönendem Erz oder einer klingenden Schelle. Vom vierten Jahrhundert an aber dienten sie in den Klöstern als Signalgeber, um die Mönche zu den täglichen Gebetszeiten und zu den Gottesdiensten zusammenzurufen. Dieser Brauch wurde von den Weltkirchen übernommen.

Die bis heute gültigen Funktionen des Läutens sind:

  1. die Gläubigen zum Gottesdienst einzuladen,
  2. während der Gottesdienste auf bestimmte Vorgänge (Vaterunser, Sanctus, Taufe, Einsegnung, Trauung) hinzuweisen und dadurch die nicht in der Kirche Anwesenden zum teilnehmenden Gebet aufzurufen, und
  3. mehrmals täglich zum Gebet zu mahnen.

Bis in unsere Zeit wurden Glocken auch für profane Zwecke genutzt, sei es durch besondere Glocken in städtischem Besitz, sei es durch das sogenannte bürgerliche Läuten der Kirchenglocken. Heute wird Glockengeläut vorrangig als Stimme der Kirche verstanden.

Musikalische Variationsmöglichkeiten bestehen nicht nur in der Zusammenstellung mehrerer und dem Alleinläuten einzelner Glocken, sondern auch in den verschiedenen Läute- oder Anschlagsarten. Dadurch kann den verschiedenen kirchlichen Anlässen ein spezifisches Geläute zugeordnet werden. Wird das in einer Läuteordnung fixiert und bekannt gemacht, dann hat das Geläut ihrer Kirche einer Gemeinde ganz Spezielles zu sagen. Für die Kirchengemeinde Glasow gibt es eine Läuteordnung seit 2006.

Jede Glocke kann und soll auch einzeln verwendet werden, besonders dann, wenn durch ihren Namen eine Funktion angedeutet ist, etwa als Sterbe- oder Vaterunser-Glocke.

Zum Sonn- und Feiertag gehört das Einläuten am Vorabend. Es ist der Überrest eines weggefallenen Vespergottesdienstes. Der Vorabend gehört liturgisch nach alter Auffassung schon zum folgenden Tag. Deshalb wird der Sonn- und Feiertag am Vorabend mit dem gleichen Geläut eingeläutet, das dann auch zum Hauptgottesdienst ruft.

Vor den Hauptgottesdiensten können besondere Glockenzeichen (Vorläuten) gegeben werden, in Glasow eine halbe Stunde vor Beginn. Das Läuten zu Beginn des Gottesdienstes wird auch Zusammenläuten genannt, weil hierbei die meisten oder alle Glocken beteiligt sind.

Das an manchen Orten übliche Ausläuten des Sonntags ist wie das Einläuten am Vorabend als übriggebliebenes Vespergeläut zu verstehen und entspricht dem Zusammenläuten zum Hauptgottesdienst.

Das Läuten zum Vaterunser wird schon im Visitationsabschied von 1629 bezeugt. In der Regel war das (still gebetete) Vaterunser "unter einem Glockenzeichen" der Abschluss der Gottesdienste nach dem Segen (Diehl, 164, aus 1689). Schotten 1678 erwähnt ausdrücklich das Läuten zum Pater noster "Nach der Bätstund und allen Kirchen" (...) "mit der kleinen Glock". Die Agende von 1724 kommentiert das Läuten zum Vaterunser nach der Predigt wie auch in der Betstunde so: "denen so ausser der Kirchen seynd zum Zeichen / daß sie mit denen / so im Gottes hauß seynd / ihre Hände zu Gott auffheben und mitbeten sollen" (S. 477). Auch zur Taufe wird geläutet, ebenso während der Einsegnung bei Trauung und

 

Konfirmation. An Bußtagen kann während des Bußgebetes geläutet werden, Schotten 1678 erwähnt an Bettagen das Läuten während des ersten Verses des gesungenen Credo. Die lutherische Tradition kennt das Läuten zum Sanctus beim Abendmahl und, nur am Gründonnerstag, zum Gloria in excelsis.

Das morgendliche Gebetsläuten wurde durch Papst Urban im 11. Jahrhundert eingeführt, vermutlich auch das Abendläuten. Das Läuten zu Mittag kam unter Papst Calixt III. im Jahr 1455 hinzu (Niemann). Es wurde Ave-Maria- oder Angelusläuten genannt nach dem Gebet, das während Läutens gesprochen werden sollte. Als die Reformation dieses Gebet abschaffte, verlor das Läuten seinen unmittelbaren Sinn, wurde aber zur Ordnung des Tageslaufs beibehalten.

Früher wurden die Kirchenglocken oft aus besonderen, nicht kirchlichen Anlässen geläutet: bei Siegen, Siegesfeiern oder Geburtstagen des Landesherrn, aber auch bei Katastrophen wie Unwettern oder Bränden (Sturmläuten). Davon ist nur das Läuten in der Neujahrsnacht übriggeblieben. Noch heute haben die bürgerlichen Gemeinden das Recht, die Kirchenglocken "in allgemeinen Notfällen wie Feuersgefahr, Hochwasser oder sonstigen katastrophenartigen Unglücksfällen zu benutzen"

Für das Läuten bei Beerdigungen auf dem Glasower Friedhof sei noch angemerkt, dass die Läuteanlage mit einer Funkfernsteuerung ausgerüstet wurde, die die Bedienung vom Friedhof aus ermöglicht. Die Läuteordnung wurde vom Gemeindekirchenrat 2006 beschlossen und hängt im Schaukasten in Glasow aus.

Läuteordnung der Kirchengemeinde Glasow - auszugsweise

  1. Gottesdienst am Sonntag                                                 Glocke

Vorläuten 30 min vor Beginn                     5 min                        I + II

Hauptläuten 5 min vor Beginn                   5 min                        I + II

zum Vaterunser                                      Gebetsdauer           II

Auszug der Gemeinde                              5 min                        I + II

  1. Amtshandlungen

Taufe (sofern nicht im Sonntagsgottesdienst)

vor Beginn                                             5 min                        I + II

Trauungen vor Beginn                             5 min                        I + II

Begräbnis vor Beginn                                       5 min                        I + II        und

beim Gang von Friedhofskapelle zum Grab                         I

…….

Sterbeläuten für Mitglieder der ev. Kirchengemeinde Glasow

am darauffolgenden Tag um 07.00 Uhr drei Pulse mit

je 1 min Pause                                       3 x 5 min           I

……...

  1. Betläuten

(Montag bis Samstag, nicht an Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen)

Morgens         08.00 Uhr                                  5 min                        I + II

Mittags   12.00 Uhr                                  5 min                        I + II

Abends   18.00 Uhr                                  5 min                        I + II

Grundsätzlich ist zu sagen, dass vor allen Gottesdiensten aus besonderem Anlass 30 min vor Beginn geläutet wird.

Vor Jahren gab es regelmäßige Gottesdienstbesucher, die treu jeden Sonntag kamen. Sie hatten die Eigenart, dass sie immer auf den „letzten Drücker“ von zu Hause losgingen. Irgendwie ist mit dem Alter der Weg dann immer länger geworden. Da stand der Küster vor der Tür und wenn er die Personen sah, so begann er mit dem Vorläuten. Deshalb kamen unsere treuen Besucher immer „pünktlich“.

 

Hans-Walter Ludwig